NRW-Minister Karl-Josef Laumann besuchte die Wuppertaler Tafel.

Bei einem Rundgang durch die verschiedenen Abteilungen informierte er sich über das breite Leistungsspektrum der Tafel.

25.10.2022

Jürgen Gadder, Tafel-Stiftung und Tafel-Beirat, Minister Karl-Josef Laumann und 2. Tafel- Vorsitzender Werner Gottschall im Büchermarkt (v.l.n.r.). Foto: Anna Schwartz.

Die Westdeutsche Zeitung berichtete am 21. Oktober 2022. Hier im Wortlaut zitiert.

WZ-Lokalredakteur Martin Gehr schreibt über den Besuch des Ministers:
 
In einem Holzregal der Kinderboutique stapeln sich Brettspiele. Eins davon trägt den Titel „Heimlich, still & leise“. Auf diese Weise begeben sich auch viele Bedürftige auf den Weg zur Wuppertaler Tafel. Karl-Josef Laumann hat der Einrichtung am Kleinen Werth nun wieder mehr Aufmerksamkeit verschafft. Der NRW-Minister für Arbeit und Soziales zeigte sich bei seinem Besuch der Tafel schwer beeindruckt.
„Lebensmittel sind Waren, die einen besonderen Respekt verdienen“, sagt Laumann. „Deshalb haben die Tafeln nicht nur eine soziale Aufgabe, sondern tun auch etwas gegen die Vernichtung von Lebensmitteln.“ Allerdings: Während die Spenden immer weniger werden, wird der Bedarf immer größer. Insgesamt zwei Millionen Euro will das Land NRW den Tafeln deshalb zur Verfügung stellen. Dadurch sichert das Ministerium jeder Einrichtung bis Februar 2023 rund 7500 Euro zu.
„Die Tafeln sind zurzeit schwer beansprucht, weil die Zahl derjenigen, die sie besuchen, zugenommen hat.“ Ein Grund sei, „dass der Hartz IV-Satz genauso hoch ist wie vor der Inflation“. Zudem „bringen wir in NRW derzeit 250 000 Flüchtlinge aus der Ukraine unter. Die Wahrscheinlichkeit, dass es im Winter mehr wird, ist groß.“ Es gebe Kritiker, die der Auffassung seien, „dass die Regelsysteme so beschaffen sein müssen, dass niemand auf die Tafel angewiesen ist. Ich hingegen bin ein Verfechter eines Sozialstaates, in dem arme Menschen einen Rechtsanspruch auf Hilfe haben – und sich nicht dafür entschuldigen müssen. Ich habe immer gesagt: Menschen, die im Laufe des Monats noch viele Tage, aber kein Geld mehr übrig haben, müssen sich dennoch ausreichend versorgen können.“
„Die Tafeln sind zurzeit schwer beansprucht, weil die Zahl derjenigen, die sie besuchen, zugenommen hat.“ Ein Grund sei, „dass der Hartz IV-Satz genauso hoch ist wie vor der Inflation“. Zudem „bringen wir in NRW derzeit 250 000 Flüchtlinge aus der Ukraine unter. Die Wahrscheinlichkeit, dass es im Winter mehr wird, ist groß.“ Es gebe Kritiker, die der Auffassung seien, „dass die Regelsysteme so beschaffen sein müssen, dass niemand auf die Tafel angewiesen ist. Ich hingegen bin ein Verfechter eines Sozialstaates, in dem arme Menschen einen Rechtsanspruch auf Hilfe haben – und sich nicht dafür entschuldigen müssen. Ich habe immer gesagt: Menschen, die im Laufe des Monats noch viele Tage, aber kein Geld mehr übrig haben, müssen sich dennoch ausreichend versorgen können.“
Wie die Wuppertaler Tafel mitteilt, liegt die Zahl der Bedürftigen bei annähernd 8000 Menschen. Sie werden von 30 festangestellten sowie etwa 100 ehrenamtlich Engagierten betreut. Doch die Ansprüche aufrecht zu erhalten, wird immer schwieriger: „Wir fahren im Monat 90 Supermärkte in Wuppertal an und legen dabei 7000 bis 8000 Kilometer zurück“, sagt Werner Gottschall, zweiter Vorsitzender des Trägervereins der Tafel – „und das bei erheblich höheren Dieselkosten.“ Die Discounter würden mittlerweile genauer kalkulieren und könnten nicht mehr so viel abgeben, ergänzt Jürgen Gadder, Förderer der Tafel. Für das nächste Jahr erwartet Gottschall zudem 100 000 Euro mehr Energiekosten – zumal sich die Tafel in einem alten Industriebau mit großen Räumen befindet, wie ein Rundgang zeigt. Neben der Ausgabe von Lebensmitteln gibt es das „Kaufhaus der kleinen Preise“, in dem sich Schränke, Küchen, Sofas, Bügelbretter und Geschirr über die Räume verteilen. Die Tafel bietet eine Kleiderkammer, einen Büchermarkt und eine Kinder-Boutique, in der auch Spielwaren angeboten werden. Zudem werden etwa 200 ukrainische Flüchtlinge betreut.
Früher war auch die Kantine eine feste Anlaufstelle, doch seit der Corona-Pandemie wird der Mittagstisch als „Essen-to-go“ angeboten, für das pro Tag 600 Portionen produziert werden, wie Kantinenleiter Joachim Kempe berichtet. „Das sind ein paar hundert Kilogramm an Lebensmitteln, die wir jeden Tag benötigen“ – auch als Lieferservice für die „Platten“, also die sozialen Brennpunkte unter anderem in Elberfeld und Barmen. „Unser Prinzip ist: Wenn genügend Waren da sind – wie Fleisch, Wurst, Käse, Milch und Butter – verteilen wir sie, wenn nicht, haben wir einen Engpass.“ Das kommt immer häufiger vor: „Ich weiß heute noch nicht, was ich morgen kochen werde“, sagt Kempe. Verwaltungsleiter Zülfü Polat untermauert dies mit konkreten Zahlen: „Im Januar haben wir noch 7000 Mahlzeiten verteilt, jetzt sind wir bei 16 500 Essen angekommen.“ Die Tafel sei ein „Seismograf der Gesellschaft“, umschreibt es Polat. „Besonders Senioren haben ihr Leben lang versucht, ihren Alltag selbst zu stemmen – durch Arbeit, Sparen und Verzicht. Jetzt tun sie sich schwer damit, auf fremde Hilfe angewiesen zu sein.“
Der Rundgang, den Karl-Josef Laumann absolviert, endet in einem recht versteckten Winkel des Gebäudes: der „Kinder-Tafel“ – innerhalb der 172 Tafeln, die es in Deutschland gibt, eine Ausnahme. Hier werden 270 Kinder aus dem Quartier zwischen sechs und zwölf Jahren empfangen, erhalten ein Mittagessen, aber auch Hausaufgabenhilfe, erklärt Polat.
„Im Grunde haben wir hier eine Art Kindertagesstätte, in der gebastelt, musiziert und ein Ferienprogramm angeboten wird.“